Was genau heißt MTL?

Ein bißchen Historie gefällig?

Das grundsätzliche Anliegen der E-Zigarette bei ihrem ersten Marktauftritt im Jahre 2004 war es, die Tabakzigarette zu ersetzen. Erste Ansätze dazu gab es übrigens bereits in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, die jedoch nie zur Markteinführung gelangten. Diese ersten E-Zigaretten, deren Zugverhalten dem der echten Zigarette nachempfunden sein sollte, werden heute auch als „traditionell“ bezeichnet.

Hand in Hand damit gingen auch Bestrebungen, Liquids zu kreieren, die entsprechend einen möglichst zigarettenähnlichen Geschmack an den Tag legten. Dies war grundsätzlich ein problematisches Unterfangen, da die Dampferzeugung im Gegensatz zur Raucherzeugung bei einer brennenden Zigarette eben keine Feststoffe und auch keine Verbrennungsgase produziert, die mit am wesentlichsten für den Charakter des Zigarettengeschmacks verantwortlich sind. Gleichwohl ist der Dampf einer E-Zigarette wesentlich weniger schädlich als der Rauch einer Zigarette, was in den vergangenen Jahren durch viele Studien belegt wurde.

Der Siegeszug der E-Zigarette hat dann spätestens in den vergangenen 2- 4 Jahren nachhaltig dergestalt eingesetzt, dass sich ein Nischenmarkt zu einem Massenmarkt entwickelt hat. Meine persönliche Prognose ist, dass in einigen Jahren nahezu niemand mehr rauchen wird, es wird nur mehr gedampft werden.

 

Mouth to Lung (MTL) und Direct to Lung (DTL)

Da das ursprüngliche Zugverhalten einer Zigarette in der Dampfe damals nachempfunden werden sollte, wurde die Abgrenzug MTL (Mouth to Lung; Mund zur Lunge) zu DTL (Direct to Lung; Direkt zur Lunge) erst nötig, als die ersten DTL-Dampfen auf den Markt kamen. Mit immer kleineren Widerständen an der Wicklung und immer höheren Leistungen etablierte sich mit der Zeit das Bestreben, möglichst große Wolken zu generieren. Dass die Geschmacksentwicklung dabei zunächst im Hintergrund stand, dürfte daran liegen, dass unsere Lungen keine Geschmacksknospen haben und es um das pure Inhalieren, manchen vielleicht auch um den Kick dabei ging; dies war auch meine persönliche Erfahrung mit dem DTL-Dampfen.

Der wesentliche Unterschied zwischen einem MTL- und einem DTL-Verdampfer liegt eben in der Erzeugung verschieden voluminöser Dampfmengen, wobei eine größere Dampfmenge innerhalb des Mundes mehr geschmackliche Stimulation erzeugt als weniger Dampf. Demzufolge ist ein intensiveres Geschmackserlebnis bei einem DTL-Verdampfer sozusagen automatisch gegeben, ganz im Gegensatz zu einem MTL-Verdampfer.

Zunächst schien es so, als dass die Wolkenwerfer die kleinen MTL-VDs vom Markt verdrängen würden. Das Angebot an MTL-VDs zum Selbstwickeln war Mitte 2017 noch relativ überschaubar, teilweise dominiert noch immer von den einschlägigen Klassikern, die sich aus der Anfangszeit bis dahin bewährt hatten. Unter dem Schlagwort „traditionelles Dampfen“ waren diese Verdampfer von den Cloudchasern und den Herstellerfirmen eher belächelt worden. Aber insbesondere in den letzten beiden Jahren hat das MTL-Dampfen eine Art Renaissance erlebt, entsprechende Verdampfer wurden auch von den großen Herstellern in China wieder verstärkt entwickelt und auf den Markt gebracht.

Inzwischen kommen im Wochentakt neue Verdampfer auf den Markt; dabei einen Überblick zu behalten, wird zunehmend schwieriger. Es stellt sich insbesondere die Frage, ob dies überhaupt noch sinnvoll ist, da wohl kaum viermal monatlich ein Verdampfer auf den Markt kommen dürfte, der alles andere bei weitem in den Schatten stellt. Im Grunde wird hier vermarktet, was das Zeug hält, mit Hypes, zum Teil vorgetäuschten Innovationen und einer aufwendigen Marketingmaschinerie werden die potentiellen Kunden zu immer neuen Anschaffungen animiert. Das klappt zum Teil auch hervorragend, wobei man sich wundert, welche Geräte angeblich die tollsten sind, während andere, zum Teil wesentlich bessere Produkte, kaum wahrgenommen werden. 

In unserem Dampfmatiker-Shop sind wir bemüht, nur diejenigen MTL-Verdampfer ins Spiel zu bringen, die nach unserer Beurteilung alle Kriterien eines waschechten MTL-Konstruktion umsetzen. Wir sind gleichzeitig der Überzeugung, dass ein blosser Hype oder eine geschickte Verquickung von Produktmarketing mit „zustimmenden“ Influencern der Kundenorientierung eher schadet als nutzt. Insofern kann es Ihnen passieren, dass ein MTL-Verdampfer, der allseits hochgelobt wird, dennoch nicht über uns zu beziehen ist – auch dann nicht, wenn wir die einzigen sind, die dieses Produkt nicht gut finden. Es gibt leider am Markt eine ganze Reihe beworbener MTL-Verdampfer, die jedoch an keiner Stelle die Merkmale einer MTL-Konstruktion aufweisen, auch wenn MTL drauf steht: es ist kein MTL-Verdampfer und er hat keine Chance, einem Vergleich mit einem Ambition Mods Gage oder einem Cthulhu Hastur RTA objektiv stand zu halten.

 

Grundsätzliches zu MTL-Verdampfern

Wie oben beschrieben wird in einem MTL-VD wesentlich weniger Dampf erzeugt als in einem DTL-VD. Das ist systembedingt so auch vorgesehen, da die Mundhöhle mit ca. 100ml Volumen wesentlich weniger Dampf aufnehmen kann als die Lungen, die bei einem willentlich tiefen Zug immerhin 3,5 Liter ein- bzw. ausatmen. Zudem ist die Geschwindigkeit der Luft eines Atemzuges direkt in die Lunge (DTL) ungleich höher als das blosse Saugen in die Mundhöhle durch die Kontraktion der Backenmuskulatur (MTL). Diese Unterschiede bedingen im Wesentlichen die Anforderungen an einen MTL-Verdampfer gegenüber einem DTL-Verdampfer, dass

• mit weniger Dampfvolumen mehr Geschmack erzeugt werden muss,

• die geringere Zugenergie durch eine höhere Geschwindigkeit durch Luftdruckverhältnisse kompensiert werden muss,

• dass die Coil durch die gezogene Luft derart gekühlt wird, dass kein unangenehmes Dampfempfinden entsteht und

• das Liquid effizient verdampft wird, ohne sich in der Verdampfungskammer als Überschussmenge anzusammeln.

Ferner wird man für einen in etwa gleichen Nikotin-Genuss die Nikotinkonzentration in einem MTL-Liquid höher wählen als in einem DTL-Liquid. Ich selbst benutze niemals die Liquids in DTL-Dampfen, die ich in den MTLs dampfe. Ebenso mische ich auch oft die MTL-Liquids mit einem höheren PG-Anteil als die DTL-Liquids und mit stärkeren, beziehungsweise konzentrierteren Aromen.

Von allgemeinen subjektiven Betrachtungen losgelöst, wird man anhand dieser Kriterien objektiv betrachten können, inwieweit ein Modell diesen Anforderungen gerecht wird.

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist, wie sich die Airflow, nämlich das System, durch das mittels Öffnungen und Luftkanälen die Luft von aussen nach innen an die Coil gebracht wird, im Gesamtzusammenspiel verhält. An der Stelle sind einfache physikalische Gesetzmäßigkeiten beachtenswert, die sich übrigens im elektrischen Umfeld bezüglich Spannung und Widerstand in gleicher Weise spiegeln.

Allgemein lässt sich sagen, dass ein MTL-Verdampfer eine wesentlich kleinere Verdampferkammer benötigt als ein DTL-Verdampfer: je kleiner die Kammer, desto einfacher die Luftausrichtung, desto komprimierter der Dampf und damit der Geschmack. Daraus folgt, dass die Außenluft stark gerichtet auf die Coil treffen muss, damit ein effizienter Transport des Dampfes gewährleistet ist. Gleichzeitig erfordert die geringe Fördermenge der Mundhöhle mit ihrer niedrigen Geschwindigkeit und geringen Zugenergie eine starke Kompression des Luftzuges im Verdampfer.

Dies ist – ähnlich wie bei den Zusammenhängen des elektrischen Widerstandes – dadurch zu erreichen, dass die Luft relativ großzügig von außen angesaugt wird und an ihrem Austritt zur Coil stark beschleunigt wird, indem der Luftauslass an der Coil wesentlich kleiner ist als der Lufteintritt (hoher Widerstand). Man kann sich das leicht anhand einer Kanülenspritze veranschaulichen: füllen wir die Spritze mit Wasser und drücken sie ohne Kanüle aus, haben wir weit weniger Energie beim Austritt als wenn wir noch eine Kanüle darauf setzen.

Die gleiche Wassermenge wird um ein vielfaches stärker austreten und unser Druck auf den Kolben wird höher sein. Umgekehrt wird es auf der anderen Seite der Kanüle nach innen nur tröpfeln, wenn wir versuchen, das Wasser von außen dort hinein zu bekommen, ohne dabei einen entsprechenden Druck vorzuhalten. Das heißt für unsere Airflow, dass ihre Außenöffnung am Verdampfer stets einen größeren Querschnitt haben muss, als die Austrittsöffnung an der Coil, und dies bedeutet letztendlich, dass dieser Querschnitt bestimmt, wie komprimiert die Luft auf die Coil trifft. 

Das ist von immenser Bedeutung, zumal wir nicht in der Lage sind, den Luftzug der Mundhöhle stark abzustufen. Man kann zwar ziehen wie ein Verrückter, aber Spass macht das nicht. Im Grunde will man entspannt an der Dampfe ziehen und dabei ein genüssliches Maß an Dampf einziehen, eben wie bei einer Zigarette. Das heißt, dass die Luft durch die Airflow die Coil mit weitaus höherer Energie belüften muss, als es durch unseren leichten Zug gewährleistet wird. Entsprechend ist eine MTL-Airflow so konzipiert, dass sie durch das Zusammenspiel von Außenöffnung und Widerstand am Coilaustritt diese Energie bereitstellen muss. Ist dies hingegen nicht gewährleistet, ist die Gesamtkonstruktion zumindest hinterfragbar.

Dies hat zunächst nichts mit dem Zugwiderstand zu tun, bei dem die Geschmäcker bekanntlich weit auseinander gehen. Denn wenn der Zugwiderstand durch die Außenöffnung erzeugt wird und gleichzeitig an der Coil keine oder nur wenig Kompression erzeugt wird, ergibt dies zwar einen Zugwiderstand, jedoch eine suboptimale Verdampfung, die weder das Optimum an Geschmack noch die benötigte Kühlung der Coil produziert. Zugwiderstand und Dampfqualität stehen deshalb nur dann in einem gesunden Zusammenhang, wenn der Zugwiderstand an der Austrittsöffnung entsteht, nicht jedoch an der Eintrittsöffnung.


Hier sehen wir ein Beispiel für eine „fachgerechte“, funktionierende Airflow (Augvape Merlin): dem (austauschbaren) recht engen Luftauslass unter der Coil stehen zwei überproportional große Lufteinlässe unten an der Basis gegenüber. Natürlich lässt sich beim Merlin der Airflow-Einlass auch weiter schließen. Jedoch wirkt sich dies nicht auf den Zugwiderstand aus. Dieser würde sich erst ändern, wenn der Außeneinlass gleich groß oder kleiner wäre als der Auslass unter der Coil. Man könnte es so formulieren, dass bei stufenweisem Verschließen der äußeren Öffnung der Dampf etwas ruhiger wird. Auch eine leichte Geschmacksänderung ist möglich. Letztlich lässt sich der Zugwiderstand jedoch nur durch Austausch der Einsätze unter der Coil verändern.


Es liegt deshalb nahe, dass es ein wesentlich anspruchvolleres Unterfangen ist, einen besonders guten MTL-Verdampfer zu konstruieren, als einen DTL-Verdampfer, da alles wesentlich sensibler und direkter funktioniert – oder eben nicht funktioniert – als bei einem Verdampfer, der lediglich innerhalb kurzer Zeit große Luft- und Dampfmengen quasi nur transportieren muss. Zwar gelten dort ähnliche Kriterien hinsichtlich der Kühlung an der Coil, diese sind jedoch durch entsprechend große Öffnungen vergleichsweise einfach zu realisieren, was exzellent schmeckende Tröpfelverdampfer belegen, wo die Airflowkanäle im Grunde ganz eliminiert und durch einfache Luftlöcher neben der Coil ersetzt sind. Eine MTL-Verdampfung wird dort nicht gelingen.

Dies mag nun alles sehr theoretisch klingen, bestätigt sich allerdings in der Praxis. Diejenigen Verdampfer, die in ihrer Konstruktion die hier beschriebenen Erwägungen berücksichtigen, bewähren sich in der Praxis dann auch als die „besseren“ MTL-Verdampfer, bis hin zu den wenigen außerordentlichen Produkten. Das ist dann keine Zauberei und auch keine Geschmacksfrage, sondern einfach nur die konsequente Nutzung physikalischer Gesetze.

Inzwischen gehört es bei vielen Dampfern auch zur gängigen Praxis, mit niedrigen Widerständen unterhalb eines Ohms und relativ hoher Leistung für komplexe, dabei trägere Coils eine dem MTL nachempfundene Dampfart zu genießen. Diese „Alternative“ zum traditionellen Dampfen spricht mich persönlich nicht an, da sie die Nachteile träger Coils, zu hohe Temperaturen durch zu hohe Leistung und zu hohen Liquidverbrauch in den kleineren MTL-Tanks miteinander verbindet. Zudem wird bei dieser DTL-nahen Dampferzeugung kein MTL-gemäßer nuancierter Geschmack erzeugt, zumindest nicht in dem Maß wie bei einer echten MTL-Verdampfung.

Ich persönlich dampfe auch sehr, sehr gerne DTL, dennoch will ich beim MTL-Dampfen das klassische Zigaretten-Zigarren-Gefühl erleben. Das gelingt mir nicht bei einem wirklich offenen Zug, sondern nur bei der Erfüllung der oben genannten Kriterien. Man mag es mir bitte verzeihen, wenn ich nur dieses klassisch-traditionelle MTL-Empfinden in meinenTestberichten für die Beurteilungen zugrunde lege.

 

Abschließend…

Ich hatte für die große Marktübersicht im Dampfermagazin 17 Monate meines Lebens mit der intensiven Auseinandersetzung mit dem MTL-Selbstwickler-Thema verbracht. Natürlich ging es seitdem auch damit weiter. Es gab und gibt immer noch sehr viel Austausch mit Dampferkollegen und auch immer wieder sehr interessante Gespräche mit Konstrukteuren, bzw. Herstellern. Mir war es wichtig, eine objektive Grundlage zur Bewertung eines MTL-Verdampfers zu entwickeln, was zumindest in den spezifischen Parametern, die einen MTL-Verdampfer definieren, gelungen ist. Dabei sind das keine Neuigkeiten, die ich erst entdeckt habe, sondern es sind genau die Punkte, die den Entwicklungsweg eines Verdampfers seit den Anfängen überhaupt ausmachen.

Mir schrieb in einer Facebook-Gruppe vor einiger Zeit eine junge Dame: „Wieso sollte der XYZ kein guter MTL-Verdampfer sein? Das wird doch nicht über die Airflow bestimmt!“ Dazu muss ich sagen: erst die Airflow definiert einen MTL-Verdampfer! Dabei ist der Zugwiderstand eigentlich nur ein Effekt der Airflow, aber nicht die Grundlage. Der Zugwiderstand ist vielmehr eine subjektive Größe, die jeder für sich anders präferiert oder definiert. Das bedeutet im Umkehrschluß, dass ein guter MTL-Verdampfer eben bei fast jedem Zugwiderstand einen hervorragenden Geschmack und einen dichten Dampf liefern sollte. Hierdurch eignet er sich im Idealfall hervorragend für Liebhaber eines engeren wie auch eines offeneren Zuges!

Die Güte eines MTL-Verdampfers definiert sich eben nicht über einen strengen Zugwiderstand, sondern darüber, wie die Airflow hinsichtlich Geschwindigkeit und Kompression die Coil versorgt und dazu führt, dass der MTL-Dampf überhaupt erst entsteht. Durch die korrekte Umsetzung dieser Faktoren ergibt sich der Zugwiderstand als Konsequenz.

Dabei ist wesentlich, dass der Einlass außen einen wesentlich größeren Durchmesser hat als der Auslass unter der Coil, im Grunde ein ähnliches Prinzip wie bei einer Flugzeugturbine. Diese würde kein Konstrukteur um 180° gedreht einbauen, weil das Flugzeug dann einen Rückwärtsschub erhielte. Entsprechend lassen sich die MTL-Verdampfer am Markt in zwei Kategorien einordnen: die mit korrekt konstruierter Airflow und die mit einer umgekehrten Airflow. Letztere sind konstruktionsbedingt nicht in der Lage, das zu liefern, was man als MTL-Dampfen in der ursprünglichen Version bezeichnen könnte, bis hin zu einigen Adepten, die selbst die grundlegendsten Merkmale nicht umgesetzt haben. 

So ergibt sich am Ende ein klares Bild mit einer recht klaren Orientierung.

Meine persönliche Erfahrung aus meiner intensiven Beschäftigung mit MTL-Verdampfern zeigte jedenfalls für mich, dass einerseits einige der hochpreisigen Verdampfer in ihrem Preis als angemessen oder sogar preiswert gewertet werden dürfen, weil sie eben auch ein exzellentes Dampferlebnis liefern; dies nicht aber einfach mal so, sondern weil ein gerüttelt Maß an Ingenieurskunst und Entwicklung dahinter steht. Demgegenüber stehen Produkte, die genau diese Kriterien augenscheinlich vermissen lassen. Und so sind oft diejenigen Produkte, die über die entsprechenden Kanäle gehyped wurden, größtenteils von enttäuschender Performance.

Ich hoffe, dass es mir gelang, mit dieser kleinen Grundlagen-Arbeit zum Thema MTL, Ihr wertes Interesse an der Materie und für die Faszination der MTL-Dampfkultur zu wecken.

Christoph Keller, Januar 2020

Schreibe einen Kommentar