Christoph Keller Multifunktionsmensch

Hauptwerk

Die klassische Pfeifenorgel für zuhause und unterwegs

Anmerkung: Falls Sie dieses Thema hier wirklich interessiert, Sie aber noch nicht die geringste Ahnung haben, worum es überhaupt geht, klicken Sie bitte hier:

Hinter dem seltsamen Namen „Hauptwerk“ verbirgt sich eine hochspezialisierte Computersoftware, deren Entwicklung ich von Beginn an mitverfolgt habe. Hauptwerk wurde entwickelt, um eine „lebendige“ Pfeifenorgel im Computer nachzubilden und somit dem Organisten die Möglichkeit zu geben, beispielsweise zuhause auf einer Orgel zu spielen und zu üben. Dies umreisst es jedoch nur ansatzweise.

Hauptwerk Caen Sonus Paradisi Cavaillé-CollIch widme dieser Software und den damit einhergehenden Möglichkeiten hier einen großen Teil meiner Website, weil sie – in ihrer physischen Gestalt als Musikinstrument – zu den Dingen in meinem Leben gehört, die mich als passionierten Berufsmusiker am meisten faszinieren und inspirieren. Ich hatte im letzten Jahrzehnt auch viele Anfragen von weniger bewanderten Nutzern der Software, konnte oft Hilfestellung leisten oder den Entwicklern der Orgeln als Betatester dienen. Ich sehe in der ganzen Sache wesentlich mehr als „nur“ ein Software-Tool. Tatsächlich verkörpert „Hauptwerk“ mit seinen Möglichkeiten für mich die Erfüllung meiner kühnsten Träume, was das faszinierende Thema „Orgel“ angeht.

Zu Beginn der Entwicklung im Jahre 2002 durch den Engländer Martin Dyde, der heute noch immer maßgeblich für die Produktpflege verantwortlich ist, waren die Ergebnisse eher als zurückhaltend zu beurteilen, was durchaus über lange Zeit so blieb. Dennoch war ich damals im Abstand von etwas zwei Jahren immer wieder in Kontakt mit Martin Dyde, um zu gegebener Zeit für etwas Neues offen zu sein, so es sich wirklich lohnen würde.

Mit der Version 2 wurde es etwas interessanter als zu Beginn, mit Version 3 wurde es spannend und mit Version 4 war es den Herstellern schließlich gelungen, eine atemberaubende Software zu entwickeln, die zurecht als „virtuelle Orgel“ bezeichnet wird!
Mit Version 4 war es tatsächlich möglich geworden, eine reale Orgel im Computer so abzubilden, dass etwa bei Aufnahmen für eine CD kein wirklicher Unterschied mehr zu einer Aufnahme im echten Raum, dort, wo die Orgel steht, auszumachen ist.
Letztlich ist dies durch die rasante Entwicklung der heutigen Computer möglich geworden, die mühelos in der Lage sind, den immensen Anforderungen eines solchen Unterfangens gerecht zu werden. Gerade heute, in den Zwanzigern des 21. Jahrhunderts sind die Computer derart leistungsfähig, dass die Musik- und Videoproduktion ohnehin auf einem Qualitätsstandard möglich ist, der in meiner Anfangszeit als Musiker in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts eher Science-Fiction war.

 

Eine eigene kleine Welt

Man muss sich das ganze Thema nun so vorstellen, dass es Leute gibt, welche diese Software entwickeln, die für die Orgel nötig ist. Auf der anderen Seite gibt es Leute, die die Orgeln selbst in den Kirchen oder Sälen so aufnehmen, dass sie anschließend in der Software „Hauptwerk“ genutzt werden können. Dabei wird von jeder Pfeife der jeweiligen Orgel eine Audio-Aufnahme angefertigt (Sampling). Und am Ende freuen sich dann die vielen Orgelenthusiaten über die Instrumente, die ihnen wie von Zauberhand zur Verfügung stehen. Mit den Jahren hat sich damit eine weltweite Community entwickelt; allen gemeinsam ist wohl ihre Begeisterung und Faszination für das Instrument Orgel, von wirtschaftlichen Interessen einmal abgesehen.

Inzwischen ist ein Bestand an nutzungsfähigen Orgeln für „Hauptwerk“ entstanden, der es Orgelprofis und -laien ermöglicht, zuhause Orgeln aus nahezu allen Epochen und Nationen spielen zu können, größtenteils in faszinierender Klangqualität. (Mehr zum Thema Orgelkunst in der Abteilung „Orgeln“)

Nachdem ich über Jahre hinweg die Entwicklung von Hauptwerk verfolgte, begann ich bereits in Vorahnung der Dinge, die kommen werden, ab etwa 2009 mit der Vorbereitung der technischen Ausstattung um zu gegebener Zeit für eine kompromisslose Installation des Systems gewappnet zu sein. Seit 2012 steht meine Traumorgel in meinem Arbeitszimmer und vermutlich wird sie mich überleben, genau wie mein Bösendorfer-Flügel.

Da ich aus Erfahrung weiß, dass Details zu meiner heimischen Hauptwerk-Installation für professionelle Kollegen ebenso wie für Laien interessant sind, habe ich hier ein Extrakapitel dazu angelegt; zumal diese Installation eine der leistungsfähigsten überhaupt ist.

Im „Spieltisch“-Kapitel finden Sie Infos über die Entstehung meines einzigartigen Orgel-Spieltisches, im „Technik“-Kapitel solche zur eigentlichen Computer-Installation und im „Orgel“-Kapitel eine Auflistung der „virtuellen“ Orgeln, die hier bei uns zuhause gespielt werden können.

 

Hauptwerk nutzen

HauptwerkWer Interesse an dieser Software hat, kann Sie sich entweder als Abo mit jährlichen Zahlungen oder als Lifetime-Version zulegen. Das ist online möglich beim Original-Vertrieb in USA, www.hauptwerk.com, da es sich um ein typisches Software-Produkt zum Download handelt. Die US-Adresse würde ich persönlich jedoch eher nur versierten Profis empfehlen, die genau wissen, was sie wann wie tun wollen. Für Einsteiger oder Laien empfiehlt sich der Kauf eher bei einem deutschen Vertrieb wie  zum Beispiel „Sakralorgelwelt„. Herr Voitz unterstützt und berät bei dem mehr als komplexen Unterfangen sehr versiert und professionell. (Anm.: dies ist keine Werbung, sondern ein Tip aus Erfahrung.)

Seien Sie sich jedoch bitte gewahr: mit der Software allein ist es nicht getan, es sei denn, Sie sind Musikproduzent und setzen Hauptwerk direkt dort ein, wie etwa der Filmmusiker Hans Zimmer dies für Interstellar getan hat. Alle, die Hauptwerk zum Orgelspielen nutzen wollen, benötigen außer der Software selbst noch folgendes:

  • einen leistungsfähigen Computer mit massig RAM (vorzugsweise einen Mac)
  • ein möglichst gut klingendes Audio-Interface (oft fälschlich „Soundkarte“ genannt)
  • eine entsprechende Verstärker- und Lautsprecheranlage
  • einen physischen Spieltisch mit mindestens zwei Klaviaturen und Pedal
  • eine Partnerin/einen Partner mit einer Engelsgeduld, langem Atem und einer möglichst hohen Toleranzschwelle hinsichtlich Ihrer ständigen, geistigen Abwesenheit, während Sie diese „Orgel“ in Betrieb nehmen; es sei denn, Sie sind Single, dann brauchen Sie nur einen Arbeitgeber, der Ihnen Ihre wochenlange Übernächtigung nachsieht. 😉
Kurzerklärung „Sampling“ & „Sampleset“

Falls Sie sich fragen, was genau nun „sampling“ ist und wie genau diese tollen Orgeln in den Computer gelangen, hier eine kurze Erläuterung dazu. Etwas ausholen muss ich jedoch schon:

Wie Sie vielleicht wissen, wird der Klang einer Orgel über Pfeifen erzeugt, die durch das maschinell gesteuerte Einblasen von Luft (im Orgelbau „Wind“ genannt) zum Klingen gebracht werden. Diese Pfeifen werden in verschiedenen Arten konstruiert und stellen je nach Bauart ganz unterschiedliche Klänge und Tonhöhen bereit.

Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen Metall- und Holzpfeifen, wobei diejenigen aus Metall heller, die aus Holz dunkler klingen. Außerdem gibt es grundsätzlich zwei Arten, wie die Pfeife den Ton erzeugt: erstens wie eine Flöte, die Pfeife sieht dann auch so ähnlich aus. Sie sehen diese Pfeifen meistens in der sichtbaren Front einer Orgel, „Prospekt“ genannt. Der Ton wird erzeugt, in dem die Luft an einem sogenannten „Labium“ über dem Fuß der Pfeife gebrochen wird, was die innere Luftsäule der Pfeife in Schwingung versetzt, eben genau wie bei einer Blockflöte.

Die andere Art, die sogenannten Zungenpfeifen, erzeugen den Ton über eine kleine Metallzunge, die durch die Luft in Schwingung versetzt wird. Diese Pfeifen klingen sehr viel obertonreicher als die Labialpfeifen.

Ob eine Pfeife höher oder tiefer klingt, hängt von ihrer Länge ab, die traditionell in „Fuß“ gemessen wird. Dabei bedeutet die 8Fuß-Länge, dass die Pfeife in der Tonhöhe erklingt, die man auf der Orgelklaviatur anschlägt. Ein C in der Mitte entspricht dann der gleichen Taste auf einem Klavier. Ist die Pfeife doppelt so lang (16′), erklingt sie eine Oktave tiefer, halb so lang (4′) eine Oktave höher.

Diese Verhältnisse macht man sich bei der Orgel zunutze, indem man ganz bewusst verschiedene Längen der Pfeifen baut. Zusammen mit dem Material und der Bauart (Labial/Zunge) erreicht man ein sehr flexibles Klangpotenzial mit einer Orgel, von superleise bis superlaut, ganz dunkel oder extrem hell. Das ist einer der Gründe, weshalb die Orgel in ganz verschiedenen Bereichen sehr beliebt ist: sie vermag praktisch jede Stimmung zu musizieren.

Will man nun diesen Klang in einer Software nutzbar machen, ist man gezwungen, von jeder einzelnen Pfeife eine möglichst hochwertige Tonaufnahme anzufertigen. Da je nach Länge des Anschlags die Pfeife sich etwas anders verhält, benötigt man meist mehr als eine Aufnahme pro Pfeife. Dieser Vorgang wird „Sampling“ (Sample englisch für „Beispiel“) genannt. Die Aufnahme selbst nennt man „Sample“

Nun müssen Sie noch wissen, dass jeder Taste auf der Klaviatur jeweils eine einzelne, teilweise mehrere Pfeifen zugeordnet sind. Angenommen Sie haben eine Orgel mit einer Klaviatur („Manual“ genannt) und 4,5 Oktaven Tonumfang, benötigen Sie insgesamt 54 Pfeifen. Gehen wir weiter davon aus, dass Sie verschiedene Klänge benötigen, zum Beispiel 10 davon, sind dazu 10 Pfeifenreihen („Register“ genannt) nötig, jede mit den bewussten 54 Pfeifen. Bei einer sehr kleinen Orgel haben Sie also bereits 540 Pfeifen, ohne dass ein spektakulärer Klang entstehen könnte. Entsprechend beherbergen große Orgeln durchaus mehrer tausend Orgelpfeifen: jede einzelne davon muss für den Computergebrauch digital aufgezeichnet werden, bzw. gesampelt werden.

Ist dies in langen Nächten mühevoller Fließbandarbeit geschehen, müssen diese Aufnahmen sauber sortiert und klanglich so bearbeitet werden, dass nachher keine Störgeräusche oder sonstiges zu hören sind, was den Klang beeinträchtigen könnte. Das ist eine unglaubliche Arbeit, vorsichtig ausgedrückt.

Wenn aber alles fertig ist, kann der Sampleproduzent seine Arbeit in einer speziellen Datei für die hier behandelte Software „Hauptwerk“ zusammen fassen und den Interessenten anbieten. Dieses Produkt nennen wir „Sampleset“. Man erhält also eine naturgetreue digitale Reproduktion einer jeweiligen Orgel für den Gebrauch zuhause oder unter Umständen auch für einen öffentlichen Raum, wo zwar eine Orgel etwa für ein Konzert benötigt wird, aber nicht zur Verfügung steht.

Die Software ordnet dann einfach ausgedrückt die Pfeifenaufnahmen den passenden Tasten zu und man kann die Orgel praktisch so spielen, als wäre sie tatsächlich anwesend.

Es werden von den weltweit tätigen Sampleset-Produzenten sowohl kostenpflichtige Samplesets angeboten aber auch solche, die kostenfrei sind, oder bei denen um eine Spende für die Erhaltung der gesampelten Orgel – dort wo sie tatsächlich physisch steht – gebeten wird.

Sollte Sie das Thema „Orgel“ ganz allgemein noch detaillierter interessieren und Sie gerne lesen, klicken Sie bitte hier.