Christoph Keller Multifunktionsmensch

Dampfen statt Rauchen

Kapitel 2
Meine Raucher-Geschichte

Ich habe das Rauchen mit 15 Jahren angefangen. Das war damals (1977) eigentlich nichts Besonderes, denn die Schädlichkeit des Rauchens und die Abhängigkeit, die aus dem Inhalieren des Tabakrauchs entsteht, war kaum ein Thema in der Öffentlichkeit. Nachdem ich in den ersten Jahren fertige FIlterzigaretten konsumierte, bin ich aus Kostengründen und natürlich wegen des viel besseren Geschmacks (würg) auf „Selbstgedrehte“ umgestiegen; zuerst Samson und Drum, danach endgültig und nachhaltig auf „Schwarzer Krauser“, einen der stärksten Tabake, die es am normalen Tabakmarkt gibt.

Meine erfolgreichste Zeit als Raucher lag in den ersten Jahren, als ich meine erste eigene Wohnung bezog. Da war es mir erstmals möglich, mich ausgiebig um eine gesunde, mir angemessene Lebensweise zu konzentrieren: 4 Stunden Schlaf maximal (Künstler schlafen nur, wenn es sein muß), Flüssigkeitszufuhr über Cola und als Hauptnahrungsmittel Pizza und Schokolade; dazu rund 60 selbstgedrehte Zigaretten pro Tag.

Ich denke heute, dass ich ohne Rauchen diese besonders gesunden Jahre überhaupt nicht durchgestanden hätte. Wie dem auch sei, Rauchen war im Grunde mein Lebenszweck, lange Flüge oder der Aufenthalt in einem Wartezimmer waren für mich der blanke Horror, weil eine Phase ohne Zigaretten zwar prinzipiell möglich, aber aus meinem Empfinden heraus sinnlos war.

Ich erinnere mich voller Ehrfurcht an meinen Fahrlehrer als ich meinen Führerschein machte. Auf seinem Küchentisch stand eine Dose, die angefüllt war mit verschiedenen Medikamenten, in allen Farben und Größen. Er war zu dem Zeitpunkt Ende 50. Irgendwann fragte ich ihn, ob er denn sehr krank wäre oder weshalb er die ganzen Tabletten bräuchte. Seine lapidare Antwort war: „Von denen brauch ich jede einzelne, dass ich die Raucherei besser vertrage.“ Das gab mir erstmalig zu denken. In der Tat war sein Husten und Röcheln, was wir liebevoll den „russischen Bluthusten“ nannten, während der Fahrstunden dazu angetan, meinen Tabakkonsum in gewisser, wenn auch nicht grundsätzlicher Weise zu reflektieren.

Die Vorteile des Rauchens nach Allen Carr

In den nächsten Jahren kam dann eine Welle auf, die langsam aber zielstrebig das Rauchen in eine gewisse Ecke stellen wollte: krebserregend, gesundheitsschädlich, Herzkrankheiten, Tod durch Passivrauchen und dergleichen mehr. Für mich war klar, dass ich das Rauchen aufgeben musste, und das lieber später als früher.

Mitte der Neunziger konsultierte ich einen Pneumologen, um die Funktionstüchtigkeit meiner Lungen zu eruieren, so ein bißchen neugierig war ich schon. Das eher überraschende Ergebnis war, dass meine Lungen, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt schon seit rund 20 Jahren dem Tabakrauch verfallen war, in blendender Verfassung waren. Das Urteil des Arztes war: „Sie haben großes Glück! Wenn Sie jetzt mit dem Rauchen aufhören, tragen Sie keine sichtbare Schädigung davon und können praktisch so weiter leben, als hätten Sie nie geraucht.“ Das war ein Wort! Also beschloß ich das Rauchen aufzugeben, zumal meine damalige Partnerin ca. 34 Stunden pro Tag an mir herum moserte; sie war militante Ex-Raucherin und wurde von ihren Kollegen zuvor an der Fachhochschule nur „der Schornstein“ genannt.

Der große Tag kam: ich habe mit dem Rauchen von heute auf morgen aufgehört; für ca. 8 Stunden, dann bin vollkommen kollabiert. Ich war davor wie jeder andere Suchtheini der vollsten Überzeugung, dass ich ja jederzeit mit dem Rauchen aufhören könne, wenn ich wöllte. Was für ein Humbug! Aber grundsätzlich hielt ich es mit Mark Twain: mit dem Rauchen aufzuhören, ist ganz einfach, ich habe es in den folgenden Jahren mindesten 20 mal getan, mal für drei, mal für vier Stunden. Es war aussichtslos.

Anfang des Jahrhunderts war ich dann soweit, an mir selbst sichere Folgen des Rauchens auszumachen: ich wurde weniger leistungsfähig, hustete unverhältnismäßig oft und stark und entwickelte langsam aber todsicher eine wirklich starke Abneigung gegen das Rauchen. Meine gesundheitliche SItuation wurde noch dadurch beeinträchtigt, dass ich zu dieser Zeit bereits seit über 10 Jahren an einer chronischen Krankheit nahmens „Crohn“ litt, wodurch ich ständig Cortison nehmen musste. Es gab einige Krankenhausaufenthalte mit schwierigen Operationen und es zeichnete sich ab, dass das mit dem Rauchen aufhören musste.

In der Zeit zwischen 2005 und 2010 etwa versuchte ich so ziemlich alles, was es an „Angeboten“ gab: Nikotinpflaster, Nikotinkaugummi, Hypnose, Akupunktur, Gesprächstherapie bis hin zu Champix, ein Medikament von Pfizer, das angeblich helfen soll. Das Medikament war schlimmer als das Rauchen, ich bekam Halluzinationen, Depressionen, ich konnte nicht mehr schlafen und das alles, während ich sogar noch rauchte, was bei der Entwöhnung durch dieses Champix dazu gehört. Auch der Effekt der Lektüre des Buches „Endlich Nichtraucher“ von Allen Carr brachte: nichts; wenngleich es nichts schadet, das Buch mal gelesen zu haben.

Ein einziges Mal hatte ich es drei Wochen lang geschafft, nicht zu rauchen, dann kam eine beruflicher Schicksalsschlag und ich wurde wieder rückfällig. Ich war am Ende völlig verzweifelt, nichts half, ich hatte keine Chance. Dazu kam die Äußerung meines Arztes nach einem Unfall mit einem bleibenden Lungenschaden: „Sie müssen jetzt mit dem Rauchen aufhören, sonst gehört ein Sauerstoffgerät bald zu ihrem ständigen Begleiter.“ „Bald“? Was meinte er mit „bald“?

Er riet mir dann als letzten Ausweg, es mit der E-Zigarette zu versuchen, was ich als glatten Affront empfand! Ein erwachsener gebildeter Mensch wie ich gibt sich doch nicht so einem Elektrik-Dingens hin, das sowieso noch viel gefährlicher ist als das Tabakrauchen, wusste doch schließlich jeder. Als mir auf Ryanair-Flügen eine E-Zigarette zur Überbrückung des Fluges angeboten wurde, rümpfte ich allenfalls die Nase, ich Idiot!

Der 6. September des Jahres 2017 brachte die Wende. Ich war ein paar Wochen zuvor dienstlich in Hamburg, zu dieser Zeit war ich Börsenhändler und Dozent für Terminhandel an der Frankfurter Terminhandelsbörse (Eurex). Am Flughafen rutschte mir irgendein Plakat in den Augenwinkel: „E-Zigarette 95% weniger Schadstoffe!“ – das hatte ich aber gleich wieder vergessen.

Justfog Q16
Meine erste E-Zigarette, die „Justfog Q16“

An eben diesem Tag, dem 6. September, hatte ich einen desaströsen Tag im Börsenhandel und überlegte um ca. 13.00 Uhr, wie man den Tag noch ins Positive drehen könnte. „Jetzt wäre ein guter Tag, endlich, endlich, endlich mit dem Rauchen aufzuhören“ dachte ich mir und erinnerte mich an das Plakat im Hamburger Flughafen. Innerhalb weniger Minuten fand ich mich in einem kleinen Tabakgeschäft in Merzig wieder und fragte dort, ob sie E-Zigaretten verkaufen und ob die Aussage, dass die Dinger soviel weniger Schadstoffe hätten, tatsächlich stimmte. Der nette Verkäufer bestätigte dies und führte mir eine E-Zigarette der Marke „Justfog“ vor, die mich auf seltsame Weise ansprach. Insgesamt war mit dem Ankauf von E-Zigarette und drei Fläschchen Liquid ein finanzieller Aufwand von ca. 40€ verbunden, was mir den Versuch mehr als wert war. Um es kurz zu machen: ich hatte noch eine selbstgedrehte Zigarette dabei, die ich um 13.35 Uhr anzündete und nach drei Zügen entsorgte. Das war meine letzte Zigarette – bis heute! Die Justfog Q16 war meine Erlösung, nach unzähligen Versuchen mit „offiziellen“ Angeboten seitens der „Gesundheitsindustrie“, die allesamt scheiterten.

Es gibt Raucher, die hören tatsächlich einfach auf damit und behaupten nachher, dass dies ja jeder kann, wenn er nur will; aus deren Sicht vielleicht nachvollziehbar aber glatt an der Realität vorbei. Es gibt Menschen, für die es ein fast unlösbares Problem ist, mit dem Rauchen aufzuhören – so einer bin ich. Ich bin ein Suchti, deswegen habe ich nie Drogen probiert und von Alkohol halte ich mich geflissentlich fern, abgesehen von einem gepflegten Single Malt Scotch 1-2 mal in drei Monaten. Es spielt letztlich keine Rolle, weshalb die Menschen in dieser Hinsicht absolut unterschiedlich sind, Tatsache ist, dass es so ist und es wäre gut, wenn das möglichst alle respektieren würden – insbesondere die Gesundheitslobbyisten, die einen vor die Wahl stellen wollen: „Hör auf oder stirb!“ – Quit or die!

Damit kein falscher Eindruck entsteht: es war keinesfalls ein Spaziergang für mich, mit Hilfe der E-Zigarette aufzuhören. Die ersten 4 Wochen nach dem 6. September 2023 waren trotz E-Zigarette eine einzige Hölle für mich. Aber das Rumspielen mit dem kleinen Dampfgerät, das Ausprobieren verschiedener Liquids, der weitere Kauf verschiedener Dampfgeräte und wochenlange Internet-Recherche zu dem Thema Rauchen, Rauchstop und Dampfen haben mich so abgelenkt, dass ich es überstanden habe. Ich hätte zu dieser Zeit ohne mit der Wimper zu zucken, jemandem 10.000 € gezahlt, wenn er mir eine garantierte Methode gezeigt hätte, wie ich vom Rauchen loskommen kann. Der Gebrauch der Dampfe war weitaus weniger kostspielig und der fast wahllose Zukauf neuer Geräte zur allgemeinen Erbauung, Faszination und Ablenkung spielte für mich finanziell keine Rolle. Wie sagte meine Angetraute damals so schön: „Jeder Euro, den Du ausgibst, damit Du nicht rauchst, ist es wert!“

Fazit: bei dem Zustand meiner Lunge, in dem sie sich nach dem Unfall und der schweren Thorax-Operation befindet, würde ich heute – unterstützt durch ein Sauerstoffgerät – dahinsiechen, wenn ich weiter geraucht hätte; sofern ich überhaupt noch am Leben wäre. Die Alternative gefällt mir besser: ich lebe noch und die E-Zigarette hat mir persönlich mein Leben gerettet.