Christoph Keller Multifunktionsmensch

Dampfenhändler

Inhalt

Faszination E-Zigarette

Im September 2017 konnte ich mit Hilfe der E-Zigarette das Rauchen aufgeben, Genaueres dazu habe ich unter „Meine Rauchergeschichte“ beschrieben. Am Anfang hatte ich E-Zigaretten benutzt, wie man sie eben für diesen Zweck einsetzt, möglichst einfach in der Handhabung, am besten ohne viel Schnickschnack. Der Rauchstop war für mich persönlich eine ziemlich intensive Erfahrung, es war extrem schwierig, weil ich von der einen auf die andere Minute nie mehr rauchen wollte. Neben dem Gebrauch der E-Zigarette an sich half mir das Befassen mit der Technik der Geräte sehr, mich abzulenken. Man konnte ausprobieren, schrauben fummeln, alles Dinge, die ablenkten.

Dass es ausgesprochene Geschäfte für diese E-Zigaretten gab, nahm ich erst wahr, als mich das Thema wirklich interessierte. Tatsächlich gab es bereits seit den 10er-Jahren unseres Jahrhunderts zahlreiche Anbieter von E-Zigaretten, als ich 2017 in die „Szene“ eintrat, war ich wirklich überrascht.

Zu Weihnachten 2017 bekam ich meinen ersten sogenannten Selbstwickel-Verdampfer, einen Augvape Merlin. Solche Verdampfer, also der Teil des Geräts, wo die Flüssigkeit verdampft wird, sind vollumfänglich selbst zu bestücken. Das bedeutet, man wickelt ein Stückchen Draht um eine Schraube, setzt diesen Draht in den Verdampfer ein und zieht ein Stückchen Watte durch. Dort wird dann die Flüssigkeit zum Verdampfen eingesogen und verdampft, sobald die kleine Drahtspule, „Coil“ genannt, unter Spannung gesetzt wird und sich somit erhitzt.

Augvape Merlin RTA
Mein erster Selbstwickler: der Augvape Merlin RTA

Diese Technik des „Selbstwickelns“ zog mich sofort in ihren Bann. Erstens war der Geschmack dieser Geräte wesentlich intensiver als der mit maschinell vorgefertigten Spulen und zweitens konnte man Stunden damit verbringen, dieses und jenes auszuprobieren: verschiedene Drahtstärken, verschiedene Durchmesser (normalerweise 2,5 mm), mal mehr, mal weniger Watte und vieles mehr.

Geld und Kosten interessierten mich zu dem Zeitpunkt wirklich nicht, da ich nur ein Ziel hatte: nicht mehr zu rauchen. Deshalb versorgte ich mich in der Folgezeit mit vielen, nein eigentlich mit sehr vielen dieser Geräte, von Herstellern ganz unterschiedlicher Provinienz. Mitte 2018 besaß ich eine in meinen Augen recht ansehnliche Sammlung von E-Zigaretten, die von ihren Benutzern liebevoll „Dampfen“ genannt werden. Tatsächlich gibt es viele Leute, für die sich die Dampfe zum Hobby erhoben hat, für mich war es das erste wirkliche Hobby meines Lebens – und es machte einen Mordsspaß.

 

DAMPFERmagazin

Für mein vielbeschäftigtes Gehirn ist es immer immens wichtig, alles einzuordnen, zu spezifizieren und gegeneinander abzugrenzen. Deswegen setzte ich mich irgendwann hin und beschäftigte mich wochenlang mit Vergleichstests der einzelnen Verdampfer, machte Fotos und schrieb nieder, was wo wie einzuordnen war und wo qualitative Unterschiede auszumachen sind. Am Ende stand natürlich eine Übersichtstabelle, die die Geräte nach meiner Beurteilung von ganz toll bis mies einordnete. Ich fand es ziemlich bestechend, dass tatsächlich riesige Unterschiede bestanden, so, dass am Ende zwei Verdampfer auf Platz eins waren und zwei auf den letzten Plätzen.

MTL Vergleich Original
Meine private Vergleichstabelle – Januar 2019

Insgesamt testete ich über 30 Geräte und am Ende stand ein geschriebenes Werk zur Verfügung, zu dem meine Frau meinte „Das musst du irgendwem anbieten, damit das veröffentlicht wird.“. Ich fragte mich, wen das interessieren könnte, aber sie insistierte. Mit einigem Googlen fand ich das „DAMPFERmagazin“, das einzige deutsche Fachblatt zum Thema „Dampfen“. Ich schrieb die Jungs an und fand mich kurz darauf als Redaktionsmitglied im DAMPFERmagazin wieder.

Dampfermagazin 57 mit der ersten Seite meiner Marktübersicht

Mein Vergleichstest überstreckte sich über insgesamt ca. 35 Magazinseiten und wurde in zwei Teilen im ersten Halbjahr 2019 veröffentlicht. Das gesamte Unterfangen sorgte ein wenig für eine gewisse Reputation meiner Person in der Dampferszene, da es solch einen umfangreichen Vergleichstest bis dato nicht gab. Zudem konnte die Leserschaft sicher sein, dass die Beurteilungen nicht von den Herstellern gekauft oder beeinflusst waren, wie es leider oft bei Testberichten der Fall ist. Ich hatte alle Geräte selbst gekauft und zum Zeitpunkt der Tests gar keine Ambitionen, das Ergebnis zu veröffentlichen – das kam erst danach. 

Bis zum Ende des DAMPFERmagazins im allgemeinen Niedergang der „Dampferszene“ steuerte ich in den Folgejahren noch so manchen Testbericht zu neu erschienen Geräten bei, die bei den Herstellern teilweise zu Verzückungen und teilweise zu Panikattacken führten. Ich nahm kein Blatt vor den Mund und beurteilte die Geräte so, wie sie es nach meiner Ansicht verdient hatten. Es waren viele wirklich hervorragende Geräte auf den Markt gekommen, aber auch manches, was man besser nicht am Markt angeboten hätte.

 

Kuturschock I

In diesem Kontext besuchte ich 2019 zum ersten Mal eine Dampfermesse, und zwar die „Hall of Vape“ in Stuttgart. Das, was sich mir dort bot, fand ich erschreckend und sowohl meiner persönlichen Konstitution wie auch meiner kulturellen Prägung diametral entgegen gesetzt. Gut, ich traf zwar ein paar Leute, was ganz nett war, aber die gesamte Atmosphäre traf meine autistische Konstitution bis ins Mark. Es war unfassbar laut, ständig wurde ich angerempelt, was ich überhaupt nicht ertragen kann und überall wurden dickste Dampfschwaden emittiert, deren Gerüche von Himbeer bis Lakritz sich zu einer sehr seltsamen Melange vermengten. Die Anbieter waren unfassbar grell und bunt aufgestellt und sahen irgendwie alle gleich aus: lange Bärte mit Baseballkappe. Im Grunde sah auch die Zielgruppe so aus, ich fühlte mich selten irgendwo derart deplaziert. Man entnehme dem jetzt bitte nicht, dass ich etwa etwas gegen bärtige Männer mit Baseballkappen hätte, darum geht es nicht. Ich empfand nur die Zielgruppe, zu der ich mich persönlich zähle, ganz klar unterrepräsentiert. Der einzige Messestand, der eine Affinität von Seriosität aufkeimen ließ, war der von Pipeline.  

In Gesprächen mit meinen Redaktionskollegen vom Dampfermagazin, die teilweise gleichaltrig zu mir waren, hatten wir schon des öfteren diskutiert, dass die gesamte Dampferszene im Grunde nur eine Zielgruppe ansprach, die noch dazu weniger wegen gesundheitlicher Überlegungen dampfte, sondern weil es „billiger“ war als rauchen. Ein wesentliches Merkmal der Dampfbranche ist bis heute, dass es keine Ausbildung zum Dampfenhändler gibt. Diese Shops schossen irgendwann wie Pilze aus dem Boden, wobei einer den anderen nachahmte und sowohl die Händler als auch die „Zielgruppe“ aus der gleichen Klientel bestand. Mit einem Dampferladen winkte die schnelle Kohle ohne dafür spezielle Kenntnisse an den Tag legen zu müssen. Im Alter fortgeschrittene und insbesondere kaufkräftige Menschen, denen es nur um den Rauchstop ging, fühlten sich von diesen Läden wenig angesprochen.

Schon lange vorher fand ich den Besuch einiger Dampfläden bei uns im Saarland zum Teil wenig inspirierend. In einem Shop stand ich einmal 5 Minuten am Verkaufstresen und wartete, dass sich jemand um mich kümmerte. Cirka 5 Meter weiter weg lümmelten sich ein paar bärtige Gestalten mit Baseballkappen auf einer Couch und bemerkten mich gar nicht. Irgendwann rief einer „Willsche was?“ – ich ging dann lieber wieder. In anderen Shops wiederum erschlich mich das Gefühl, dass die Verkäufer dort nicht nur kein Interesse hatten, einen Kunden zu bedienen, sondern gleichzeitig auch keine Ahnung hatten, was sie eigentlich verkaufen wollen. Ging man in einen Shop um ein bestimmtes Gerät zu erwerben, das dort nicht vorrätig war, bekam man als „Beratung“: „For was brauchsche das dann? Kaaf das do, das ist vill besser.“ Das vermeintlich bessere Gerät hatte allerdings mit dem, das ich wollte, nichts gemeinsam. Da ich fürderhin vermeiden wollte, Dampfenhändler mit etwaigen Kaufabsichten meinerseits zu belästigen, bestellte ich meinen Bedarf in Onlineshops. Eine etwaige Beratung war nicht erforderlich, da ich in den meisten Fällen sowieso besser im Bilde war als die „Fachhändler“. Genau genommen passt das komprimierte Wissen, das man zur fachgerechten Beratung eines Dampfkunden benötigt, auf eine A4-Seite, und zwar in Punktgröße 14, umso unbegreiflicher war für mich die Ahnungslosigkeit dieser Leute.

 

Dampfmatiker

Im Zuge der Hall of Vape hatte ich erstmalig die Idee, einen Onlineshop für E-Zigaretten zu eröffnen, der das krasse Gegenteil dieser ganzen Anbieter war, die sich innerhalb dieser Branche nach meiner Meinung im Grunde nur einer Nabelschau hingeben, sein könnte. Allgemeine Recherchen und meine Marktanalyse hatten ergeben, dass es – soweit ich das danach beurteilen konnte – lediglich zwei Online-Shops gab, die sich spürbar von diesem brancheninternen Einheitsbild absetzten. Hinzu kam, dass die Produkte, die ich selbst als essentiell erachtete, immer weniger oder kaum mehr angeboten wurden. Das waren in der Hauptsache beispielsweise passende Drähte zum Selbstwickeln (s.o.) und alles, was damit zusammen hing, dass man sich seine Dampfflüssigkeiten, die sogenannten „Liquids“ selbst herstellen konnte, also selbst mischte.

Hinzu kam, dass ich innerhalb der Szene kein Unbekannter war, da meine Testberichte sehr stark beachtet wurden und eine hohe Akzeptanz fanden. In meinem Umfeld der Börsenausbildung gab es einen Kollegen, mit dem ich mich recht gut verstand. Wir berieten uns und starteten dann das Projekt „Onlineshop für E-Zgaretten“ und „Dampfmatiker“ war geboren. Am 1. August 2019 gingen wir an den Start.

Auf einer der Dampfmessen, die ich besuchte, lernte ich zu dieser Zeit einen grichischen Hersteller kennen, der zum Urgestein der Szene gehörte. Er war bekannt und berühmt wie ein bunter Hund und war gerade ohne Vertretung in Deutschland. Es hatte den Anschein, dass wir uns gut verstanden und nach unzähligen Telefonaten und Austausch übernahmen wir mit unserer Dampfmatiker GbR den deutschen Vertrieb seiner Produkte. Damit war Dampfmatiker sozusagen über Nacht bekannt. Ansonsten hätte vermutlich kein Mensch Notiz von uns genommen. Die Sache hatte jedoch noch andere Auswirkungen.

Dazu eine nette Anekdote: Der Kollege aus Athen hatte die Jahre zuvor natürlich einen Vertrieb in Deutschland, nur eben nicht mehr, als er mich kennenlernte. Der vormalige Vertrieb war einer der – meines Wissens – wesentlichsten Händler in Deutschland, wohingegen wir mit unserem frisch gegründeten Zweimannbetrieb uns ausnahmen wie ein Mäuschen. Ich geriet in einen akuten Zustand erhöhter Panik, als Oliver Simon von SmokerStore mich bei der Händlermesse in Dortmund dem Inhaber eben dieses ehemaligen Vertriebs vorstellen wollte. Der Vertrieb war Pipeline (der erste Shop mit dem ich selbst in Berührung kam, damals in Saarbrücken) und der Inhaber war Patrick Fleischer. „Guck ma Patrick, das ist Christoph Keller, der Inhaber von Dampfmatiker.“ Mir wäre am liebsten gewesen, der Boden hätte sich aufgetan und hätte mich verschlungen, derart peinlich war mir diese Situation. „He, ich finde das toll, dass Du den Vertrieb von Imeo übernimmst! Lass uns doch mal telefonieren.“ meinte Patrick und der Mann war völlig relaxt und unfassbar nett. Egal, was dem ansonsten folgte, zwischen Patrick und mir entwickelte sich in den folgenden Jahren eine echte Freundschaft. Ich mag und schätze ihn sehr. Allein für diesen Zugewinn in meinem Leben hat sich „Dampfmatiker“ gelohnt.

Ich freute mich umso mehr, dass wir als Dampfmatiker mit Pipeline immer enger zusammen arbeiten konnten, auch oder erst recht, nachdem wir den Vertrieb von „Golden Greek“ aufgekündigt hatten. Das gesamte Konzept von Dampfmatiker ging sehr gut auf und es gelang uns, genau die Zielgruppe zu erreichen, um die es uns ging. Es war für viele Kunden ein Vorteil, dass ich nur die Produkte anbot, von denen ich wirklich überzeugt war. Wir hatten in den vier Jahren von Dampfmatiker vielleicht drei oder vier Retouren, die Kundschaft war äußerst zufrieden.

 

Kulturschock II

Im Zuge der Vorbereitungen zu dem Onlineshop ging ich ziemlich blauäugig vor. Ich dachte, wie in jeder Branche gäbe es ein gerüttlet Maß an Großhändlern, von denen man seine Ware beziehen konnte. Dem war nicht so, es gab lediglich drei wirkliche Großhändler, die auch importierten, denn ein Löwenanteil der Produkte kam aus China. Daneben gab es noch ein paar Pseudo-Großhändler, die jedoch nicht selbst importierten, sondern sich bei den drei Großen eindeckten. Ferner war sehr schnell klar, dass die Gruppe der Leute, die in Deutschland im Handel eine wesentliche Rolle spielen, insgesamt sehr klein ist – und alle kennen sich untereinander bestens. Zumindest die, die eine Rolle spielen, waren damals in einem der beiden großen Händler-Verbände VdeH oder BFTG organisiert. Entsprechend wurde Dampfmatiker Mitglied in einem davon, nämlich beim VdeH. Die Mitgliedschaft in einem solchen Händlerverband sah ich persönlich als obligatorisch an.

Ich bekam dann nach Eröffnung unserer jeweiligen B2B-Kontos bei den Großhändlern freundliche Anrufe, in denen mir angeboten wurde, dass ich am besten das gesamte Sortiment nur bei demjenigen Großhändler beziehen sollte, der gerade anrief. Man würde mir das Sortiment gerne zusammenstellen. Genau das war offenkundig der Grund, dass alle deutschen Dampfershops seltsam gleichgeschaltet sortiert waren und ungesunde Überhänge an vielen Stellen auszumachen waren. Genau das wollte ich nicht – zum Erstaunen meiner Telefonpartner. Machte aber nichts, ich bezog von allen, die zur Verfügung standen und zwar nur das, was ich definitiv anbieten wollte.

Was mich tatsächlich schockierte, war erstens die doch eher übersichtliche Anzahl an passenden Geschäftspartnern, mit denen ich zumindest ansatzweise auf einer Wellenlänge lag, zweitens die Intrigen, die ich innerhalb der Branche ausmachen konnte und drittens die Art und Weise, wie der größte Teil der Kollegen die Kundschaft einschätzte und vor allem mit dieser umging. Es war keine Seltenheit, dass entweder auf Facebook in den einschlägigen Gruppen oder auf Youtube Videos auftauchten, in denen Branchenteilnehmer die Kunden zweifelsfrei informierten, dass sie alle keine Ahnung hätten, während tieferes Wissen und die Fähigkeit, restlos alles korrekt beurteilen zu können, den Branchenteilnehmern vorbehalten war. Es ist bis heute üblich, die Kundschaft zu beschimpfen, wenn sie sich wagt, einen Kritikpunkt zu artikulieren. Insbesondere die Hersteller von Liquids schmückten sich nicht selten mit einem Marketing, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ oder erzählten völlig ungeniert Dinge, die nicht den Tatsachen entsprachen. Diese Art der „Kundenpflege“ hat sich tatsächlich bis heute gehalten, Überheblichkeit und Ignoranz bei gleichzeitig einem gerüttelt Maß an unbewusster Inkompetenz sorgen dafür, dass die Dampfbranche in meinen Augen eine kollektive Demonstration des Dunning-Kruger-Effektes ist.

Daran scheint auch die Tatsache nichts zu ändern, dass man die Befindlichkeiten unter den Kunden in dieser Hinsicht aus den Beiträgen in den einschlägigen Facebook-Gruppen zum Beispiel heraus lesen kann. Dort macht sich immer mehr ein Unmut gegen die Branche bemerkbar, der allerdings nur die Kunden selbst zu interessieren scheint.

Gleichzeitig suche ich noch heute einen Dampfenhändler, dessen Onlineshop nicht schon auf der Startseite vor Rechtschreibfehlern und lieblosem Layout nur so strotzt. Es gibt Ausnahmen, aber die kann man an einer Hand abzählen.

 

Sag mir, wo die Liquids sind. Wo sind sie geblieben?

Man kann von seinem Geschäftskonzept noch so überzeugt sein und es kann tatsächlich die Zielgruppe ansprechen; aber was nützt das, wenn man an sein Produktportfolio Ansprüche hat, die kaum erfüllt werden können?

Ich habe mir bei sämtlichen Liquids (die Flüssigkeit, die man verdampft), die wenigstens aufgrund einer einigermaßen erwachsenengerechten Aufmachung für Dampfmatiker in Frage kamen, die Mühe gemacht, die Sicherheitsdatenblätter zu sichten, um die Produkte auf ihre Inhaltsstoffe zu überprüfen. Dabei fielen mir sehr oft Stoffe auf, die laut ECHA-Liste gar nicht für den menschlichen Verzehr geeignet waren. Immerhin inhaliert man den Dampf und darf davon ausgehen, dass die Inhaltsstoffe, die in den entsprechenden Produkten verwendet werden, für den menschlichen Organismus zumindest grundsätzlich geeignet sein sollten.

Mittels der CAS-Nummer lässt sich feststellen, um welchen Stoff es sich genau handelt. Dabei fiel mir immer öfter auf, dass beispielsweise ein Zitronenaroma eingesetzt wurde, das für die Verarbeitung in Putzmitteln oder Autowachs bestimmt ist, jedoch nicht für den menschlichen Verzehr. Gleichzeitig existiert eine Verbotsliste von Inhaltsstoffen für E-Zigaretten in der Richtlinie für Tabakprodukte (TPD). Dort ist beispielsweise Diacethyl verboten. Der Stoff wurde trotzdem benutzt, auf die Packung wurde dann nur anstatt „Diacethyl“ eben „2,3 butandion“ geschrieben, dann fiel es nicht so auf, zumindest nicht der uninformierten Kundschaft.

Der nächste Punkt, der mich krank machte, war, dass ich kaum noch Liquids bekam, die ohne den Zusatz von Sucralose auskamen. Sucralose, im Volksmund „Chlorzucker“ genannt, hat stark süßende und geschmacksverstärkende Eigenschaften. Außerdem hat er einen Gewöhnungseffekt; das heißt, dass man, wenn man ständig Sucrlaose konsumiert, immer mehr davon benötigt, um ein gleiches Geschmacksempfinden zu haben. Sucralose muss als Inhaltsstoff auf Dampfflüssigkeiten nicht aufgeführt sein, deshalb kann man sie verwenden ohne sie zu deklarieren. Ferner kann man bei Gebrauch von Sucralose die nötigen Geschmacksstoffe in der Dosierung reduzieren, was die Produktionskosten deutlich senkt. Entsprechend tauchte Sucralose ab einem Zeitpunkt X in fast jedem Produkt auf, das auf den Markt kam. All diesen Produkten gemeinsam ist der deutliche Übergeschmack dieser Chemikalie, der mit natürlicher Süße soviel zu tun hat wie ein tibetanischer Mönch mit einer Käserei im Allgäu. Wenn man das Zeug täglich konsumiert, ist man früher oder später daran gewöhnt und leidet unter der Einbildung, dass einem nichts anderes mehr schmeckt. Das wirkt natürlich umso mehr, als dass auch die Lebensmittelindustrie auf den Trichter gekommen ist und sämtliche Softdrinks inzwischen Sucralose beinhalten, außer Coca Cola Classic Taste. 

Wie dem auch sei, diese Produkte wollte ich meinen Kunden nicht anbieten. Entsprechende Anfragen bei Herstellern liefen oft darauf hinaus, dass man es gerade nicht wusste (nicht bestellbar) oder die Anfrage bejaht wurde. Einmal ist es mir tatsächlich passiert, dass mir ein Hersteller versicherte, dass sein Produkt KEINE Sucralose enthielt und ich mich darauf verließ. Als das Zeug dann da war und ich es probierte, rollten sich mir beim ersten Geschmackskontakt spontan die Fußnägel nach oben. Ich rief den Kollegen erneut an und fragte ihn, ob er mich verarschen wollte. Seine Antwort war: „Hast du das etwa geschmeckt? Ist doch nur ganz wenig Sucralose.“ Ich bedankte mich viermal.

Aus diesen Hintergünden heraus war ich leider nie in der Lage, in meinem Onlineshop ein ansehnliches Sortiment von Liquids anzubieten, ganz einfach, weil ich es vor mir nicht verantworten konnte. Wer seinen Geschmackssinn soweit abgestumpft hat, dass er es nicht mehr merkt, kann solche Produkte ja konsumieren, aber unterstützen wollte ich das nicht.

Irgendwann wurde die TPD, also die entsprechende Regulierung, so angepasst, dass zum 1. Januar 2021 die nikotinfreien Flüssigkeiten den nikotinhaltigen gleichgestellt wurden. Ausschlaggebend dafür waren einschlägige Feststellungen des Bundesamtes für Risikobewertung (BfR), die bekannt machten, welch „unpassende“ Inhaltsstoffe in den E-Ziagretten-Liquids bis dahin verarbeitet wurden. Ab diesem Zeitpunkt mussten die Inhaltsstoffe für alle Produkte offengelegt und angemeldet werden. Ich war davon nicht überrascht.

 

Der Niedergang der E-Zigarette

Es war Anfang, Mitte 2021, als ein eigentlich nicht neues, aber dennoch marketingtechnisch neues Produkt den Markt erreichte: die Einweg-E-Zigarette. Diese Einweggeräte gab es schon einmal ganz am Anfang, als die E-Zigarette präsent wurde. Man bekam sie zum Beispiel bei Ryanair angeboten, damit man während des Fluges die Zigarettenabstinenz besser überstand. Hätte ich doch damals mal so ein Ding probiert, vielleicht wäre ich früher von der Zigarette los gekommen. Aber das ist ein anderes Thema.

Diese neue Art der Einweg-Dampfen ist eine ganz andere Produktkategorie und ist mit ihrer gesamten Aufmachung auf Jugend, Bequemlichkeit und den schnellen Genuß ausgelegt. Man muss sich mit nichts befassen, man packt das Ding aus und zieht daran. Nach Gebrauch schmeißt man es weg. Dabei wird jedesmal ein vollständiger Lithium-Ionen-Akku nach einmaligem Gebrauch weggeworfen, dazu die innere Elektronik und natürlich der ganze Kunststoff, aus dem das Teufelswerk besteht.

Es war von Anfang an völlig klar, worauf das Produkt hinauslief, und das hat sich genauso bewahrheitet: Kinder und Jugendliche waren von vornherein die Zielgruppe, entsprechend sind die Dinger an allen Schulen inzwischen an der Tagesordnung und die Anzahl der Jugendlichen, die verbotenerweise dampfen, ist seitdem drastisch angestiegen. Unsere Politik hat sich dabei einmal mehr als Schlafmützenverein geoutet, in Luxembourg wurden diese Produkte bereits 2022 komplett verboten. In Deutschland ist das aber ein Problem. Es ist eben sinnvoller, Plastikstrohhalme zu verbieten und gleichzeitig alle Tetrapackgetränke oben mit einem jämmerlich funktionierenden Plastikausguss zu versehen, weil ein Durchschnittsbürger nicht mehr über die manuellen Fähigkeiten verfügt, so eine Getränkepackung mit der Schere aufzuschneiden.

Für solch eine Gesellschaft ist die Einweg-E-Zigarette bestens geeignet und so hat sie sich innerhalb kürzester Zeit flächendeckend verbreitet, mit atemberaubenden Umsätzen, genau wie die Pest im Mittelalter.

Ich habe gar keine Lust, das Thema weiter auszubreiten, aber nur soviel: die E-Zigaretten-Branche hat im Jahr 2022 laut VdeH einen Umsatz von 600 Millionen Euro gemacht, davon 40% mit Einwegprodukten, das entspricht 240 Millionen Euro. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: 240 Millionen Euro für Sondermüll, und das in einer Branche, die gemessen an anderen Branchen vom Umsatz her quasi bedeutungslos ist und laut DEBRA-Studie ca. 2% der Gesamtbevölkerung erreicht. Eine Branche, die einen deratigen Anteil ihrer gesamten Umsätze mit dem Verkauf von Einweg-Sondermüll generiert, entzieht sich in meinen Augen selbst jegliche, fachliche Qualifikation oder ein etwaiges Mitspracherecht. Wäre ich Politiker, würde ich diesen Leuten nicht mal mehr zuhören.

Während dieser Zeit wurde im großen Stil importiert, und zwar hauptsächlich diese Wegwerfprodukte. Die E-Zigarettenprodukte, die für erwachsene Menschen mit Geschmack und einem einigermaßen gebildeten Hintergrund taugen, fielen fast ganz unter den Tisch. Wenn man nur ansatzweise verantwortlich konsumiert und ein gewisses Interesse an dem Planeten hat, wie wir ihn anderen Generationen überlassen, wird kaum ruhigen Gewissens zu derartigen Umsätzen beitragen wollen.

Außer Dampfmatiker und Pipeline gab es noch zwei andere Händler, die sich weigerten, diese Produkte zu verkaufen, anfangs waren es noch ein paar mehr, die aber angesichts des schnellen Geldes schwach geworden sind.

Letzendlich war es auch das Verhalten der ganzen Branche, die sich ständig dezimiert, die inzwischen erreichte Bedeutungslosigkeit des Händlerverbands, wo ich einmal Mitglied war und der fehlende Geist, kollektiv politisch konstruktiv vorzugehen. Es wäre eine Chance gewesen, wenn sich die Branche geschlossen den Einweg-Produkten verweigert hätte. Dann hätten wir gemeinsam und stark dagegen vorgehen können, um ehrlich und qualitativ hochwertige Produkte weiterhin hochzuhalten. Aber am Ende war es das Totschlagargument schlechthin, das so ziemlich alle Miseren begründet hat: „Wenn wir das Zeug nicht verkaufen, tut es jemand anderes.“

Man braucht keine Glaskugel, um sich vorzustellen, was passiert, wenn diese Einweg-Produkte irgendwann verboten werden, die entsprechenden Vorbereitungen sind politischerseits „bereits“ in Arbeit. Bis dahin hat man als Branche das Heft an die Supermärkte, Kiosks und Tankstellen abgegeben, was den Importeuren reichlich gleichgültig sein dürfte. Die Zielgruppe wird dann nicht mehr existieren, weil man sie selbst „umgezüchtet“ hat. Prost, Karl Sost!

 

Mein Fazit als Dampfenhändler

Ich habe meinen Onlineshop Dampfmatiker am 31. Juli 2023 geschlossen, es gab kaum noch ein Sortiment zum Verkauf. Das ganze Sucralose-Zeug wollte ich nicht verkaufen und Einweg-Dampfen konnte ich vor meinem Gewissen nicht vertreten. Das, was das Dampfmatiker-Sortiment ausmachte, war praktisch nicht mehr verfügbar. 

Ich werte das alles zusammen genommen so, dass für meinen Geschäftsansatz kein Platz mehr war, im Übrigen denke ich auch, dass ich als Person nie in diesen Bereich gepasst habe. 

Gelohnt hat es sich trotzdem: ich habe gelernt, wie eine Branche nicht funktionieren kann, habe einen guten Freund kennen gelernt und konnte mir die Fähigkeit aneignen, aus dem Nichts einen Onlineshop aufzubauen. Und das Wichtigste: in einigen Fällen ist es mir gelungen, Menschen dabei zu helfen, die Zigaretten weg zu lassen – um nichts anderes ging es.