Musik- & Videoproduktion
Inhalt
Anfänge in der Jugend
Bereits im zarten Alter von 17 Jahren war ich mit meiner Rockband „9:37“ unterwegs. Wir hatten tatsächlich drei Christophs in der Band, einen an der Gitarre, einen am Bass und mich an den Keyboards. Für mich war es extrem wichtig, keine Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass mein großes Vorbild in der Sache Keith Emerson von Emerson, Lake & Palmer war. Emerson war auf der Bühne immer sehr progressiv und monumental ausgestattet. Meine Ausstattung war deshalb so eine Emerson-Version für Arme: ein „Crumar Organizer T2“ als transportabler Hammond-Orgel-Ersatz und ein KORG MS 20 als Mini Moog-Substitut. Der Organizer hatte zwei Keyboards, worüber ich den Korg-Synthesizer mittels eines diskret angeordneten Holzständers positionierte. Das sah auf der Bühne beeindruckend aus, sorgte für eine Affinität zu meinem Idol und klang einfach hervorragend. Immerhin gehören beide Instrumente heute zu den seltenen Klassikern, die recht gesucht sind, vor allem der kleine KORG, ein fantastisches Instrument.
Ich bereue es heute, dass ich die beiden Schmuckstücke, nachdem wir die Band aufgegeben hatten, einfach verkauft hatte, zumal ich mich nach dieser Periode für fast 10 Jahre nicht mehr um diese „Abteilung“ der Musik gekümmert hatte. Ohne Band machte sowas keinen Spaß.
Erste kleine Aufträge
1981 wurde der MIDI-Standard eingeführt, den ich erst 1989 zur Kenntnis nahm, dabei erfüllten sich mit dieser Technik die kühnsten Träume, was die Mehrspuraufnahme von Musik betrifft. Ich hatte in den Jahren davor zusammen mit einem Studienkollegen schon mit einigen Bandmaschinen rudimentär experimentiert, mit denen wir klanglich verfremdete Musik mit meinem Bösendorfer-Flügel produzierten. So richtig prickelnd war das aber nicht.
Die Standard-Ausstattung bestand in den Achtzigern aus einem ATARI ST-Computer und einem multitimbralen Synthesizer. Multitimbral bedeutet, dass das Instrument gleichzeitig verschiedene Klänge ausgeben kann, beispielsweise Schlagzeug, Bass, Klavier und irgendeinen Synthesizerklang. Man konnte mittels einer sogenannten Sequenzer-Software im Atari nacheinander die einzelnen Stimmen als MIDI-Spur einspielen und im Anschluß alle aufgenommenen Spuren zugleich abspielen – das war ein absoluter Traum. Ganz witzig ist ein Vergleich mit heute: so ein Song hatte vielleicht 160 kB und man musste alles auf Diskette abspeichern. Ich war äußerst radikal und progressiv und besorgte mir eine externe Festplatte: 30 Megabyte hatte diese Platte und kostete ca. 1.000DM. 30 Megabyte waren eine unvorstellbare Speichergröße zu dieser Zeit, nochmal: Megabyte, nicht Gigabyte.
Die Software die ich benutzte, kam von einer Firma namens C-Lab und hieß „Notator SL“. Man konnte damit bis zu 24 Spuren aufnehmen, wenn ich mich richtig erinnere. Die Firma wurde einige Zeit später in „EMagic“ umbenannt und die Software wurde immer weiter entwickelt, hieß dann irgendwann „Notator Logic“, nochmal später nur noch „Logic“. Dann wurde sie von Apple aufgekauft und weiter entwickelt, bis heute, wo sie unter dem Namen „Logic Audio Pro“ weltweit für die Musikproduktion auf Apple-Computern eingesetzt wird. Ich selbst benutze sie immer noch auf meinem aktuellen System. Nur um das zu verinnerlichen: ich benutze diese Software in ihren verschiedenen Evolutionsstufen nun seit 35 Jahren!
Hier sieht man allein in der Optik den Unterschied zwischen 1989 (Atari) und 2023 (Mac):
Passend zu dieser Computer-Anlage startete ich mit einem damals brandheißen Gerät, dem YAMAHA SY77-Synthesizer. Dieses Instrument konnte gleichzeitig 16 verschiedene Instrumente ausgeben, von verschiedenen Klavieren über Orgelsounds und Blasinstrumente, bis hin zu allen möglichen synthetischen Klängen. Mit dem SY77 war es mir erstmals möglich, komplette Arrangements klanglich hörbar zu machen. Das Ergebnis war zwar insgesamt nicht direkt eine Offenbarung, aber immerhin ganz annehmbar. Es gab auch relativ bald einen ersten Auftrag, mit dem ich erste, kleine Einnahmen erzielen konnte. Ich sollte eine Anzahl von 150 Jingles à 5 Sekunden für den Saarländischen Rundfunk produzieren, die im Hörfunk zwischen den einzelnen Werbespots eingespielt werden sollten. Das war ganz witzig, vor allem in der nachfolgenden Zeit im Radio täglich die eigenen Kreationen zu hören.
musiCreation
Es sah so aus, dass man nebenberuflich mit der Produktion von Musik für den Werbebereich ganz einträglich tätig sein konnte. Diese Einnahmen investierte ich stets sogleich in neue Geräte, um mir nach und nach ein eigenes, richtiges Produktionsstudio aufzubauen. Das zog sich über mehrere Jahre hin und als ich 1994 ein eigenes Haus kaufte, suchte ich dieses danach aus, ob darin die Einrichtung eines echten Tonstudios möglich wäre.
Als ein Haus gefunden war, befand sich dann nach einigen Umbau- und Anbaumaßnahmen ein schalldichtes, akustisch optimiertes Tonstudio samt Aufnahmeraum, in dem auch mein Flügel für professionelle Aufnahmen zur Verfügung stand. Dort entstanden in den folgenden Jahren einige Produktionen von musikalischen Ensembles und ich konnte Produktionen für namhafte Schallplattenfirmen wie SONY Music, EMI, Intercord, DA Music und viele andere übernehmen. Ferner betätigte ich mich auch mit Sounddesign und Musik zu Image-Filmen Gewerbetreibender und hatte über mehrere Jahre für die Musik zu den Neuwagen-Präsentationen für die Händler von Peugeot Deutschland produziert, komponiert oder beides getan.
Ich arbeitete zu dieser Zeit unter dem Pseudonym „Winston Christopher“, mein Studio hieß „musiCreation“. Dabei bewegte ich mich in allen möglichen Stilen, von Remixes für Jürgen Drews, einem kompletten Album von Ricky Shayne bis hin zu Techno und Hip Hop, letzteren mit Musikern aus den USA, wobei diese Produktionen es auch in die Black Music Charts schafften.
Hier können Sie eine dieser Produktionen hören, der Interpret Mellieck Britt war in meinen Augen äußerst talentiert.
Musik in die ganze Welt
Einer der bedeutensten Aufträge war die Komposition und Produktion von 84 Instrumental-Titeln, verteilt auf 6 CDs. Das war 1995, die Reihe nannte sich „Tom, Tom, Tomato“ und sollte als Library für Radio- und Fernsehsender dienen. Die Aufgabe selbst war sehr reizvoll, da jede der 6 CDs ein eigenes Thema bedienen sollte: eine war gefüllt mit langsamer, zarter Musik, eine poppig, eine mit Remixes ganz alter Jazz-Nummern, eine mit Neuinterpretationen klassischer Titel, eine mit ethnisch angehauchter Musik (Worldmusic) und die letzte, die war mir am wichtigsten: alle Titel im Stil von Filmmusik. Die CD-Reihe wurde erfolgreich in 12 Länder weltweit verkauft.
Hier können Sie sich einige Titel aus „Tom Tom Tomato“ anhören; fast 30 Jahre alt, aber klingen immer noch ganz anständig.
Bei den beiden Titeln mit den Sternchen (Kalahari & Love never dies) hatte ich einen YAMAHA VL1-m gespielt. Dieses Instrument kam gerade 1995 auf den Markt und war revolutionär: es konnte – stark vereinfacht dargestellt – mittels sogenannter „virtueller Akustik“ die Luftverhältnisse in einem Rohr simulieren und einen entsprechenden Klang ausgeben. Man spielte die Töne auf der Tastatur und blies gleichzeitig in ein Mundstück, um die Töne zu formen. Die Flöten, die Sie in den beiden Stücken hören, klangen unfassbar realistisch. Das hatte aber auch seinen Preis: der VL1-m konnte genau eine Stimme ausgeben und kostete damals 10.000DM, ich war einer der Ersten, die diesen Synthesizer besaßen. Heute bekommt man so ein Instrument als Computersoftware für 80€.
1.000 Jahre Saarbrücken
Im Jahr 1999 feierte die Landeshauptstadt Saarbrücken ihren 1.000. Geburtstag. Es gab dazu natürlich eine Vielzahl von Sonderveranstaltungen, eine davon war der Wettbewerb „Ein Lied für Saarbrücken“. Für mich als alten Saarländer war es natürlich unumgänglich, an diesem Wettbewerb teilzunehmen. Wenn man sich mit Filmmusik und den entsprechenden „Klischees“ auskennt, wie man zweckgebundene, zielgerichtete Musikteile nennt, kann man zielgerichtet komponieren, um eine entsprechende Emotion anzuregen. In diesem Falle war das ein Gefühl von Vertrautheit, Heimat, positiver Stimmung und einem Schuss Nostalgie. Das entsprechende kompositorische Handwerkszeug vorausgesetzt, funktioniert Filmmusik genau auf diese Weise.
Ich konnte mir also sehr genau vorstellen, was ich komponieren musste, um den Wettbewerb zu gewinnen.
Den Text konnte man frei aus einigen Vorlagen aussuchen, denn für den Text war gleichfalls ein Wettbewerb ausgeschrieben. Ich nahm also den Text und komponierte meine Musik dazu. Der Saarbrücker Sänger Vicenco Di Rosa, mit dem ich damals gut befreundet war, übernahm den Gesangspart. Aus vielen Einreichungen landeten 5 Lieder in der Endausscheidung, die live dargeboten wurde. Das Publikum, das recht zahlreich anwesend war, durfte abstimmen, um den Sieger zu bestimmen. Ich freute mich natürlich, dass mein Song mit überwältigender Mehrheit zum „Lied für Saarbrücken“ gekürt wurde. Im Anschluß stellten die politischen Parteien einen großzügigen Etat zur Verfügung, dass wir eine standesgemäße Produktion meiner Musik umsetzen konnten, bei der ein Streichensemble aus Mitgliedern des Staatstheaters mitwirkte. Da das Rathaus anlässlich des Geburtstags der Stadt ein Turmglockenspiel als Geschenk der Handwerkskammer erhielt, baute ich im letzten Teil des Liedes auch Glocken ein, um den „Herzbluteffekt“ der Musik noch zu unterstreichen. Der Titel hieß „In dieser Stadt“ und hier können Sie hören, wie er klang.
Für das Glockenspiel im Rathaus war ich ab seinem Bestehen bis ins Jahr 2015 als Künstlerischer Leiter auserkoren worden. Ich kümmerte mich in dieser Zeit um die Betreuung des Glockenspiels, spielte die Melodien ein und programmierte den Steuerungscomputer. Anlässlich eines neuen Steuercomputers hier ein Beitrag aus dem „Aktuellen Bericht“ des Saarländische Rundfunks.
Techno geht auch
Im echten Gegensatz zu dem „Saarbrücker Lied“ steht ein Techno-Album, das ich ebenfalls 1999 im Auftrag einer Schallplattenfirma kreiert hatte. Die CD umfasste 8 Titel, die allesamt dem Electro-Genre gewidmet waren. Es machte mir einen Heidenspaß diese Musik zu komponieren und zu produzieren. Unter meinem Künstlernamen „Winston Christopher“ hatte ich mich damals an meinen Synthesizern richtig ausgetobt. Hier können Sie drei Titel aus meinem Album „Mindscratcher“ hören.
Stipendium Filmmusik und Horrorfilme
Da ich in Zusammenhang mit meinem Tonstudio guten Kontakt zum ZDF in Mainz hatte, schlug man mich von dort aus 1999 für ein Stipendium vor. Es ging um den „European Workshop for Filmmusic and Sounddesign“, der seinerseits in Essen stattfand. Ich freute mich sehr darüber, kostenfrei an dieser hochkarätigen Lehrverantstaltung teilnehmen zu dürfen und kam mit den anderen Teilnehmern in den Genuss, einen äußerst spannenden Unterricht in meinen Lieblingsfächern zu erhalten, und zwar von den Dozenten Olaf Mierau (damals Giesing Team, heute Musikhochschule Düsseldorf), Nikki Reiser (ein sehr berühmter, deutscher Filmkomponist und ausgesprochen liebenswürdiger Mensch) und Nigel Holland. Mr. Hollands Unterricht war wirklich sehr, sehr spannend. Er zeigte uns sehr viel zum Thema Foley und Sounddesign. Für sein Sounddesign zu Mel Gibsons „Braveheart“ gewann er einen Oscar. Man hat nicht oft Gelegenheit, solche Lehrer zu haben.
Die Veranstaltung war auch über den Unterricht hinaus ein Erlebnis, da sich die Organisatoren bemühten, die eine oder andere interessante Veranstaltung einzuflechten. So waren wir an einem Abend bei der Biennale Bonn, wo ich im Publikum direkt neben Franka Potente saß, eine sehr nette Dame. Noch viel beeindruckender war jedoch, dass ich bei der Gelegenheit Hans Zimmer kennenlernen durfte und, was mich sozusagen vom Hocker schlug, dem großen Maestro der Filmmusik, Ennio Morricone die Hand schütteln durfte. Meister Morricone erhielt an diesem Abend den Europäischen Filmpreis für sein Lebenswerk und Hans Zimmer hielt die Laudatio. Die Veranstaltung war insgesamt recht intim, vielleicht 200 Leute insgesamt – deshalb etwas wirklich Besonderes.
Einige Zeit nach diesem Workshop gab es eine Ausschreibung für eine Filmmusik zu einem Horrorfilm, wozu mir von Seiten des ZDF meine Bewerbung nahe gelegt worden war. Der Regisseur brauchte eine Filmmusik, die ganz im Personal-Stil von Bernard Herrmanns Musik zum Meisterwerk „Vertigo – Aus dem Reich der Toten“ von Alfred Hitchcock sein sollte. Das war für mich das passende Stichwort: Herrmanns Musik fand ich schon immer genial und ich brauchte nur noch eine Stilanalyse durchzuführen, um seinem Stil kompositorisch nahezukommen.
Nachdem ich in Kenntnis gesetzt wurde, wie die Handlung und Anmutung des geplanten Horrorfilmes geplant waren, komponierte ich mehrere Layouts, produzierte eine Demoversion und reichte die Stücke ein. Es gab insgesamt 6 Bewerber. Die Freude war groß, als ich für den Auftrag ausgesucht wurde. Hier können Sie zwei der Stücke hören:
Tribute to Bernard Herrmann:
- Prelude (Molto Moderato, Allegro Vivace)
- Habanera (Andante mysterioso)
Leider wurde die Produktion des Films eingestellt, weil der deutsche Verleih nicht glaubte, dass ein Horrorfilm aus Deutschland großen Erfolg haben würde. Das war natürlich sehr schade, so blieben meine Herrmann-Gedenk-Kompositionen bis heute ungenutzt. Da hat dann leider auch die hollywoodmäßige Gestaltung mit großem Orchester, Chor und Orgel nicht geholfen.
Bardzo
Meine letzte relevante Arbeit im Bereich der Filmmusik und insbesondere des Sounddesigns fand im Jahr 2010 statt als die Landesmedienanstalt des Saarlandes mich an einen ihrer Stipendiaten vermittelte, zu dessen Diplomarbeit ich Sounddesign und Musik beisteuern sollte.
Der betreffende Mann hieß Gerhard Funk und war ebenso ambitioniert wie talentiert. Es war eine große Freude und überaus inspirierend, mit ihm zusammen zu arbeiten. Sein Filmprojekt bestand aus einem Kurzfilm, der das psychische Innenleben des Protagonisten erzählte. Die technische Besonderheit war, dass der gesamte Film in 3D erarbeitet und produziert wurde, dabei aber den Look einer zweidimensionalen Grafik hatte:
„Ein hellgrauer menschlicher Charakter lebt Tag für Tag in einer dunkelgrauen Umgebung. Plötzlich erscheinen einige Objekte und Kreaturen, die in Farbe sind und Schatten werfen. Der Charakter ist ratlos und beginnt fieberhaft zu arbeiten.„
Das Budget, das von der Landesmedienanstalt zur Verfügung gestellt wurde, erlaubte mir ein sehr professionelles Arbeiten, was sich insbesondere an den Musikern zeigte, die ich dazu engagieren konnte. Das Klavier spielte ich natürlich selbst ein, den Violoncello-Part übernahm Wolfram Hertel (Saarländisches Staatstheater, Musikhochschule des Saarlandes) und Ulrich Rinderle (Deutsche Radiophilharmonie) spielte das Solo-Fagott.
Der Film traf auf außergewöhnliche Resonanz, unter anderem durch die offizielle Aufführung beim „European Media Arts Festival 2010“; und was uns alle besonders freute: „Bardzo“ wurde mit dem „Preis der Deutschen Filmkritik“ als „Bester Deutscher Experimentalfilm 2011“ gekürt.
Hier können Sie sich den Film ansehen: