Christoph Keller Multifunktionsmensch

Dampfen statt Rauchen

Kapitel 3
Dampfer und Dampfenhändler

Vorweg: oft wird behauptet, Dampfen sei gesünder als Rauchen, gerne auch von Teilnehmern der Dampfenbranche, also denen, die uns die E-Zigaretten verkaufen. Das ist natürlich absoluter Unsinn. Damit die Steigerung „gesünder“ auf irgendetwas zutrifft, muss die Vergleichsbasis selbst schon gesund sein. Kein Mensch käme heutzutage auf die Idee, Rauchen sei gesund, mit Ausnahme von Dr. Marlboro vielleicht. Dampfen ist also nicht gesünder als Rauchen, aber es ist weitaus weniger schädlich.

Der größte Unterschied zwischen einer Tabakzigarette und einer E-Zigarette (die ich ab hier der Einfachheit nur noch „Dampfe“ nenne) besteht darin, dass in der Dampfe keine Verbrennung stattfindet. Wie die Wissenschaft inzwischen herausgestellt hat, besteht die größte gesundheitliche Belastung durch das Rauchen nicht im Nikotin-Konsum, sondern in den dem Körper zugeführten Verbrennungsabfallstoffen in Form kleiner Partikel (Rauch) sowie wirklich giftigen Stoffen wie Kohlenmonoxid, Teer, Formaldehyd und was ansonsten noch aufgezählt werden könnte. Zigarettenrauch enthält ca. 70 Giftstoffe, die als krebserregend gelten. Übrigens wurde der Begriff der „Nikotinsucht“ wegen der neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse inzwischen in „Tabaksucht“ umgeformt.

In der Dampfe findet keine Verbrennung statt, hier wird eine Flüssigkeit mit Hilfe eines Heizdrahtes soweit erhitzt, dass sie verdampft, wobei eben Dampf entsteht, kein Rauch. Entsprechend beinhaltet das Aerosol aus einer Dampfe keine festen Partikel, die die Eigenschaft von Rauch definieren.

Diese Flüssigkeit wiederum besteht aus Propylenglykol (E1522) und/oder Glycerin (E422), beides mehrteilige Alkohole, die ganz allgemein in der Lebensmittelindustrie als Lebensmittelzusatzstoffe eingesetzt werden und die als gesundheitlich unbedenklich gelten. Beide Flüssigkeiten haben einen weitaus höheren Siedepunkt als Wasser und liefern ein Aerosol, das dem Wasserdampf recht ähnlich, allerdings wesentlich dichter und voller ist. Weiterhin sind in den Liquids (Verdampfungsflüssigkeit) für die Dampfe Aromen enthalten sowie, je nach Bedarf des Nutzers, gegebenenfalls Nikotin.

Zusammenfassend dargestellt liefert also der Dampf einer E-Zigarette genau all die Gefahrenstoffe einer Tabkzigarette nicht mehr. Deswegen berichten in den einschlägigen Foren und den sozialen Medien alle ehemaligen Raucher, die nun dampfen, von einer spürbaren Verbesserung ihres Gesundheitszustands nachdem sie das Rauchen aufgehört haben und seitdem dampfen.

Das war auch bei mir selbst so: alle Vitalwerte hatten sich nach dem 6. September 2017 innerhalb weniger Wochen verbessert, mein Blutbild, das wegen meiner chronischen Krankheit in regelmäßiger Überprüfung stand, verbesserte sich immens. Das Allerbeste war – wenn auch ein Zusammenhang nicht evidiert werden kann – dass meine chronische Krankheit nach dem Rauchstop sozusagen verschwand. Ich hatte seit diesem Tag nie mehr einen Schub und die quälenden Beschwerden blieben aus. Der entsprechende Indikator in meinem Blutbild war nach 6 Wochen auf einem Normalwert, nachdem er zuvor im Krankheitsverlauf duchaus im 18-fachen des Normalwertes lag.

Die Insuffizienz meiner Lunge stagnierte und auch meine Lungenfunktion verbesserte sich zunehmend. Auf dem Bild oben am Bodensee, machten wir eine Pause auf unserer Rundtour um den See. Solch ein sportliches Unternehmen, nämlich den gesamten Bodensee zu umradeln, wäre vor meinem Rauchstop im Jahr 2017 undenkbar gewesen.

Intermezzo als Dampfenhändler

Nachdem ich es tatsächlich geschafft hatte, über zwei Jahre nicht mehr zu rauchen, begeisterte mich die Dampfe immer mehr. In den Anfangszeiten, die ich leider ignoriert hatte (Ich hätte mit etwas weniger Ignoranz und Arroganz durchaus früher mit dem Rauchen aufhören können), waren die Dampfgeräte noch recht zurückhaltend konstruiert. Aber als ich dann auch dabei war, gab es schon wirklich sehr interessante, technisch weit entwickelte Geräte. Außerdem begann ich bereits Weihnachten 2017, meine Verdampfer selbst zu bestücken, also die kleine Drahtspule mit der benötigten Watte selbst einzurichten. Das ist eine Wissenschaft für sich, die sich danach zu einem Hobby entwickelt hat.

In den Jahren davor gelang es mir, mehr als 100 erwachsene Menschen erfolgreich durch die Berufshändlerprüfung der Frankfurter Börse zu bringen und ich hatte das Gefühl, die Funktionsweise von Futures und Optionen oft genug erklärt zu haben. Es war Zeit, etwas Neues zu starten, also entschloß ich mich, einen Onlineshop für E-Zigaretten zu gründen. Am 1. August 2019 ging mein Onlineshop „Dampfmatiker“ an den Start. Bereits im Jahr davor betätigte ich mich als Mitglied in der Redaktion des „Dampfermagazins“, damals das einzige halbwegs ernst zu nehmende Fachorgan im Bereich „Dampfen“. Nachdem dort ein mehrteiliger Test zu einer speziellen Verdampferart einiges Aufsehen erregte und es mir gelang, gleich zu Beginn von Dampfmatiker den deutschen Vertrieb für einen namhaften Hersteller zu übernehmen, war mein Name in der Dampfwelt recht schnell bekannt.

Im Dampfmatiker-Onlineshop gab es auch eine Abteilung mit Testberichten, wo ich mit großer Freude neue Geräte unter die Lupe nahm und bei dem einen oder anderen Gerät vielleicht auch etwas zum Erfolg beitragen konnte, wenn es das Gerät verdient hatte. Ich scheute mich auch nicht davor, ein schlecht konstruiertes Gerät als solches zu bezeichnen. Meine Testberichte wurden weltweit gelesen; wohlgemerkt: gelesen, denn das waren keine Videos für den schnellen Konsum. Umso mehr freute es mich, dass meine Beiträge über die vier Jahre mehr als 100.000 mal gelesen wurden.

Das Sortiment des Shops sortierte ich nach der Priorität, was ich als sinnvoll empfand und was ich insbesondere auch selbst kaufen würde. Fragwürdige Produkte lehnte ich rigoros ab. Dazu gehörten insbesondere viele Liquids, die zum Teil für mein Empfinden einfach grauenhaft schmeckten oder Stoffe beinhalteten, die aus gesundheitlicher Sicht nichts in einer Lunge verloren haben.

Leider wurde die Produktauswahl mit dem Aufkommen der Einweg-E-Zigaretten, die ich für eine umwelttechnische Katastrophe halte, immer kleiner, weil sich die Branche und auch die Importeure lieber auf den schnellen Euro über diese Wegwerfprodukte konzentrierten als darauf, umweltverträgliche Produkte, die auch eine preiswerte Qualität boten, zu pflegen.

Während des Jahres 2021 gab es innerhalb der Dampfbranche hitzige Diskussionen, wie man sich vom Fachhandel aus hinsichtlich der kommenden Flut von Einweggeräten aufstellen wollte. Die Mehrheit war dafür, sich dieser Peinlichkeit anzunehmen und in der Folge wurde von dem Zeug importiert und verkauft, was ging. Am Ende waren es außer Dampfmatiker deutschlandweit genau nur 4 (vier!) Shops, die sich von derartigen Produkten distanzierten.

Die Umsätze der Branche gingen in den Jahren 2021-2023 wieder steil nach oben, was hauptsächlich dem ungehemmten Verkauf von Einwegplastik inklusive Akkus zu verdanken ist. In Luxemburg wurden die Geräte kurz nach Erscheinen verboten, in Deutschland gehören sie zum Lieblingskonsumprodukt minderjähriger Schüler. 

Arcana Mods Arcana 22
Eine meiner Lieblingsdampfen, das krasse Gegenteil von Einwegplastik: Arcana 22 auf PIPELINE PRO SIDE Mini QI-Akkuträger

Wie dem auch sei, ab einem gewissen Zeitpunkt gab es für mich nach meiner Ausrichtung nichts mehr anzubieten. Auch die Hersteller hochwertiger Produkte haben sich ab der Einwegdampfe auffällig zurück gehalten, hohe Verkaufsstückzahlen waren nicht mehr zu erreichen – zumindest im Vergleich zur Blütezeit in den Jahren davor. Am 1. August 2023 habe ich Dampfmatiker geschlossen. 

Wie Sie vielleicht wissen, besteht in Deutschland ein Werbeverbot für Tabakprodukte. Da die Dampfe einfach mit den Tabakzigaretten gleich gestellt wurde, gilt dieses Verbot also auch für die Händler. Als Dampfenhändler begibt man sich auf illegales Terrain, wenn man Dinge beim Namen nennt. Die Tatsache, dass die Dampfe weitaus weniger schädlich ist als die Tabakzigarette wird als Werbung klassifiziert; dass die Dampfe den Rauchstop begünstigen kann, wird als Scheinargument benannt und dass die Dampfe tatsächlich Leben rettet, wird als unwahr abgelehnt. Deswegen konnte ich zwischen dem 1.8.2019 und dem 31.7.2023 im Grunde keine öffentliche Aussage nach meiner Überzeugung tätigen.

In Wahrheit ging es mir immer darum, Menschen zu helfen, vom Rauchen weg zu kommen. Das, was ich mit Dampfmatiker verdient hatte, stand in keiner Relation zu der Arbeit, die ich hinein gesteckt hatte, schon gar nicht im Vergleich zu meiner vorherigen Tätigkeit als Dozent für Terminhandel.

Leider gelang es mir in den vier Jahren, nur genau einen Kollegen zu treffen, mit dem es zu einer näheren Freundschaft kam. Ansonsten empfand ich den „kollegialen“ Umgang innerhalb der Branche in vielerlei Hinsicht als für mich unpassend. Es war den Versuch wert, ich habe in dieser Zeit viel gelernt; für mich als Musiker, der eigentlich mit Handel überhaupt nichts am Hut hat, brachte mir diese Zeit viele Einsichten, was eine Branche eigentlich ist und wie die Menschen die in ihr arbeiten, diese Branche prägen – und auch die Kundschaft in breiten Teilen.

Seit „Dampfmatiker“ nicht mehr existiert, habe ich wieder Zeit, mich auf meine Musik zu konzentrieren, was mir jahrelang sehr gefehlt hat. Das ist für mich eine Wohltat, so, dass ich nichts bereue. Aber da mich das Dampfen und die Entwicklung des Marktes weiterhin sehr interessieren, pflege ich hier auf meiner Homepage einen Blog, der sich nicht nur um Musik dreht, sondern auch um andere Themen wie das Dampfen. Vielleicht ist das für die Eine oder den Anderen von Interesse. Auf jeden Fall darf ich jetzt all das zum Ausdruck bringen, was ich tatsächlich denke und wovon ich überzeugt bin, was in meiner Zeit als Händler nicht möglich war – sehr befreiend!